Bald Abschaffung der Stellplatzpflicht für Wohngebäude?

Veröffentlicht am: 17.06.2024

Stellplatz vor WohngebäudenGeht es nach dem Willen des Landesgesetzgebers, könnten Wohnbauvorhaben künftig ohne einen einzigen Einstellplatz auf dem Baugrundstück entstehen. Foto: Gemeinde Bissendorf / Kollorz Das Bauordnungsrecht des Landes Niedersachsen ist in der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) und in den hierzu erlassenen Verordnungen geregelt. In der öffentlichen Sitzung des Planungs- und Entwicklungsausschusses der Gemeinde Bissendorf am 11. Juni 2024 informierte Ingo Nagel, Fachdienstleiter Planen und Bauen, Vertreter aus Rat und Verwaltung darüber, dass der Landesgesetzgeber eine folgenreiche Änderung der NBauO beabsichtigt:

Mit dem Ziel, künftig unter anderem die Stellplatzpflicht für Wohngebäude abzuschaffen, werden in Paragraph 47 Absatz 1 Satz 1, Halbsatz 1 der NBauO die Worte „mit Ausnahme von Wohnungen“ hinzugefügt. In der vorgenannten Regelung wird der Begriff der notwendigen Einstellplätze definiert. Mit der beabsichtigten Ergänzung sind dann im Wohnungsbau keine Einstellplätze mehr notwendig.

Nach der bisher vorgesehenen Fassung der NBauO wird den Kommunen keine Möglichkeit gegeben, abweichende Regelungen für das Gemeindegebiet oder für Teile des Gemeindegebietes zu treffen. Zwar können die Gemeinden grundsätzlich nach Paragraph 84 Absatz 1 Nr. 2 NBauO die Anzahl der notwendigen Einstellplätze einschließlich des Mehrbedarfs bei Nutzungsänderungen für das ganze Gemeindegebiet oder für Gemeindeteile durch örtliche Bauvorschriften regeln. Nach der zuvor genannten Vorschrift ist diese Regelung aber nur für notwendige Einstellplätze möglich. Aufgrund der Gesetzesänderung benötigen Wohnungen aber künftig keine Einstellplätze, sodass die Gemeinden damit dann nicht mehr berechtigt sind, eine entsprechende örtliche Bauvorschrift zu erlassen.

Darüber hinaus sind auch nach Paragraph 9 Absatz 1 Baugesetzbuch (BauGB) keine Festsetzungen im Bebauungsplan möglich, um die Anzahl der erforderlichen Einstellplätze zu regeln. Zwar können aus städtebaulichen Gründen nach Paragraph 9, Absatz 1 Nr. 4 BauGB Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten festgesetzt werden. Diese Festsetzung begründet aber keine Pflicht des Eigentümers, diese Fläche entsprechend zu nutzen.

Zudem darf die vorgenannte Regelung hinsichtlich der Anzahl der Einstellplätze nur angewendet werden, wenn diese den Anforderungen der NBauO entspricht. Gleiches gilt für die Regelung des Paragraphen 9 Absatz 1 Nr. 11 BauGB, wonach Verkehrsflächen für das Parken von Fahrzeugen festgesetzt werden können. Denn durch solche Festsetzungen werden die Flächen für die jeweiligen Verkehrszwecke lediglich bauplanungsrechtlich abgesichert. Eine Pflicht zur Herstellung der Einstellplätze besteht dagegen nicht.

 

Welche Auswirkungen hätten die geplanten Änderungen?

Nach der geplanten Novellierung hätten Bauherren künftig einen Anspruch auf eine Baugenehmigung zur Errichtung von Wohnbauvorhaben mit einer unbegrenzten Anzahl von Wohneinheiten, ohne einen einzigen Einstellplatz auf dem Baugrundstück herrichten zu müssen. Damit würde der ruhende Verkehr von Bewohnern und Besuchern der baulichen Anlagen in den öffentlichen Verkehrsraum verlagert, der diese in der Regel nicht aufnehmen kann. Das gilt gerade unter dem Aspekt, dass auch für andere Verkehrsteilnehmer, wie beispielsweise Fahrradfahrer, ein größerer Bedarf an Verkehrsfläche besteht.

Die kommunalen Spitzenverbände und verschiedene Kommunen haben beim Landesgesetzgeber in ihren Stellungnahmen gegen die Abschaffung der Einstellplatzverpflichtung votiert, die im Wesentlichen von Verbänden der Bauwirtschaft befürwortet wird. Ungeachtet dessen beabsichtigt das Land Niedersachsen jedoch, diese Änderung umzusetzen.

„Die Abschaffung der Stellplatzpflicht könnte sich in absehbarer Zeit auch bei verschiedenen Bauvorhaben auf die Gemeinde Bissendorf auswirken. So könnten bereits die Bauvorhaben im Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans Nr. 432 – östlich Am Boddenkamp – der Stadt Osnabrück ohne erforderliche Einstellplatzverpflichtung errichtet werden, weil die Stellplatzsatzung der Stadt Osnabrück lediglich Regelungen zu notwendigen Einstellplätzen nach Paragraph 47, Absatz 1 NBauO trifft“, schilderte Fachdienstleiter Ingo Nagel in der öffentlichen Sitzung.

Diese Regelung werde künftig aber die Wohngebäude nicht mehr beinhalten, sodass die Anzahl der notwendigen Einstellplätze für Wohnnutzungen nicht mehr anwendbar wäre. Auch im Gemeindegebiet von Bissendorf könnten Bauvorhaben ohne Schaffung von Einstellplätzen realisiert werden. Die Belastung durch den ruhenden Verkehr werde dann zum Nachteil der Altanlieger gehen.