Freiheit mit Grenzen: Drei Kitas tagten im Bürgersaal zum Thema Demokratie
Der Ort für das abschließende Treffen des Demokratie-Inhouse-Verbundes hätte passender nicht sein können: Im Rathaus Bissendorf, einem Ort, in dem Erwachsene täglich auf der Grundlage der Partizipation politische Entscheidungen fällen, trafen sich Mitte Februar Vertreter dreier Kitas zum Austausch einer Qualifizierung zum Bildungsschwerpunkt „Vielfalt leben und erleben - Demokratie stärken".
Begrüßt wurden Erzieherinnen und Elternvertreter durch Dipl.-Päd. Bärbel Kruthaup von der Bildungsagentur Dammer Berge. Gemeinsam mit Inga Doll, Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin vom nifbe (Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung) führte die Supervisorin und Institutsberaterin durch den Nachmittag.
Inga Doll (nifbe) und Bärbel Kruthaup (Bildungsagentur Dammer Berge) führten durch das Abschlusstreffen des Demokratie-Inhouse-Verbundes im Bürgersaal Bissendorf. Foto: Gemeinde Bissendorf Kollorz Musikalisch eingeläutet wurde das Treffen mit dem Song „Träum ja nur“, in dem die Band Silbermond den Menschen und die Unterschiede feiert. Anschließend appellierte Bürgermeister Guido Halfter an die Anwesenden, angesichts der aktuellen Bedrohung unserer Grundwerte, die Bereitschaft zur Streitkultur aufrecht zu erhalten und dankte den Erzieherinnen für ihr Engagement. Dann verfolgte auch er gespannt die Ergebnisse der aktuellen Demokratiewerkstatt, die seit 2021 vom Land Niedersachsen durchgeführt und gefördert wird.
Ziel des Prozesses ist es, Kitas, die bereits auf einem guten Weg sind, durch fachliche Begleitung weitere wertvolle Impulse für konkrete Bereiche zu geben. Während des Qualitätsprozesses sollte Demokratie von Anfang an gelebt werden – im Team, aber auch im Umgang mit den Kindern. Dabei wurde deutlich: Im Kontext von Selbstbestimmung und Anreizen von außen war oftmals Zeit der zentrale Faktor.
Mit der Natur-Erlebnis-Kita am Berg war im aktuellen Projektzeitraum trotz langer Wartelisten und stetig wachsendem Interesse erneut eine kommunale Kita aus der Gemeinde Bissendorf vertreten. Landesweit werden laut Inga Doll von der nifbe aktuell 60 Verbunde mit 228 Kindern betreut – allein in Stadt und Landkreis Osnabrück 20 Kitas in fünf Verbunden.
Der allgemeine Zugang zum Thema Demokratie warf zum Beispiel Fragen auf wie: Dürfen Kinder mitbestimmen, was, wann und wie viel sie essen, ob sie warten müssen, bis alle fertig sind, oder aufstehen dürfen oder auch selbst entscheiden was sie anziehen. In die Beantwortung zwischen Individualität oder Konformität spiele vor allem hinein, wie wir selbst aufgewachsen und erzogen worden sind.
Als Apell für mehr Selbstbestimmung, schon bei den Kleinsten, stellte die Natur-Erlebnis-Kita am Berg das Gedicht vom Spinatesser von Josef Reding aus. Foto: Gemeinde Bissendorf Kollorz Der Reihe nach gaben alle drei Kita-Teams vor großen bunten Schautafeln Einblicke aus ihren Einrichtungen. Dabei zeigten sie auf, wo bereits gute demokratische Ansätze sind – etwa im Bereich Beschwerde-Management für Kinder, Eltern und Kollegen – und wo sie während des Prozesses „Blinde Flecken“ aufgespürt haben.
Die kommunale Kita am Berg in Schledehausen startete ihre Präsentation mit einem Schaubild, das für ihre Einrichtung steht: einen Baum mit Wurzeln, Stamm und Krone, an dem aus Sicherheit, Liebe und Loyalität, Vertrauen wächst und über Ehrlichkeit und Wertschätzung Gemeinschaft bildet. Gemäß ihrer Ausrichtung als Natur-Erlebnis-Kita beschäftigten sich Team und Kinder dort vier Wochen lang mit einer noch besseren Nutzung des großflächigen Außengeländes.
Unter Mitbestimmung aller im „Großen Rat“ (Krippe und Kita) wird nun regelmäßig getagt. Es wurden neue Fußballtore angeschafft und eine Schaukel für die Hühner. Die Materialschränke für den Rollenspiel-Bereich wurden ebenso verändert wie die Feuerstelle und eine Theaterbühne befindet sich im Aufbau. „Insgesamt gibt es jetzt noch mehr Angebote in Kleingruppen“ verrieten Carolin Kremer und ihr Team.
Auch im Falle der Nikolai Kindertagestätte Bad Essen stellten Leiterin Nicole Mathew und zwei Erzieherinnen vor, wo Demokratie schon gut gelingt: Bei der freiwilligen Teilnahme am Morgenkreis, bei Abstimmungen zu bestimmten Spielen, Themen oder Projekten oder bei der Auswahl der zu bastelnden Laterne.
Ebenfalls in Trägerschaft des Kirchenkreises Bramsche, stellte die evangelische Kindertagesstätte Springlebendig aus Wehrendorf im Bürgersaal ihre Partizipationsprojekte vor. Neben der Bewertung des Mittagessens, einer hohen Miteinbeziehung des Elternrats und viel Flexibilität im Team, sei die Einführung eines Kinderparlaments das nächste Ziel. Zudem soll eine Bildungs-Matrix in Form eines großen Magnet-Boards mehr Transparenz im Tagesgeschehen schaffen.
Einen kleinen „Blinder Fleck“ erkannte das Team erst, als sich Einrichtungsleiterin Monika Holtkamp während des Mittagessens mit den Kindern einfach einen Apfel aufschnitt und aß. Einem ersten großen Aufschrei und kontroversen Diskussionen folgt der Rat der Erzieher: Ruhig mal Ängste und Bedenken Erwachsener beiseitelassen. Zentrale Qualitätsziele und Werte definieren (zum Beispiel den Umgang mit Messer und Gabel) und Neues ausprobieren, weil es gut werden kann!
Am Beispiel Kuchen backen, ist nicht gleich Kuchen backen, zeigte das Team der Nikolai-Kita Bad Essen auf, was alles drin steckt in einem Prozess. Foto: Gemeinde Bissendorf Kollorz
Nach einer kleinen Pause, bei der natürlich jeder selber entscheiden durfte, wie viel Kaffee und Kuchen er für einen guten Abschluss brauchte, gingen die Akteure noch einmal in den Austausch. Die nächste Verbundrunde unter der Leitung der nifbe startet im April 2024 und steht unter dem Motto „Kinder schützen, fördern und beteiligen – Gesundheit und Wohlbefinden in der Kindheit“.