Hochwasserschutzkonzept der Gemeinde Bissendorf greift
Die vor knapp zehn Jahren in die Wege geleiteten Hochwasserschutzmaßnahmen an der Wierau zeigen ihre Wirkung. Davon machten sich jetzt Hydroingenieur Michael Kipsieker und Johanna Mandrella, Fachdienst Planen und Bauen der Gemeinde Bissendorf, ein Bild. Bewegte Bilder gibt es am Ende des Artikels.
„Unser Hochwasserschutzkonzept für die Gemeinde Bissendorf an der Wierau greift auch bei andauerndem Regen und stark sprunghaft ansteigendem Pegelstand. Dank der Spundwand an der Engstelle des Flusses an der Straße „An der Wierau“ sowie weiterer passgenauer Schutzmaßnahmen, blieb der Ortsteil Wissingen vor erneuten Überschwemmungen bewahrt“, schildert Hydroingenieur Michael Kipsieker von der HI Nord Planungsgesellschaft mbH, Osnabrück.
Hydroingenieur Michael Kipsieker beim Rundgang im Linner See. Foto: Gemeinde Bissendorf Kollorz©Gemeinde Bissendorf Kollorz
Blick zurück:
Seit der Oktoberflut 1998 hatten Rat und Verwaltung der Gemeinde Bissendorf Überlegungen zur Abhilfe von Gefahren und drohenden Schäden angestellt. Im August 2010 brachte das Tiefdruckgebiet „Cathleen“ abermals sehr große Regenmengen ins nördliche Westfalen und den Weser-Ems-Raum, die auch zur Überflutung weiter Teile Wissingens geführt hatten.
„Als die Anfrage der Gemeindeverwaltung Bissendorf nach einem Hochwasserschutzkonzept kam, habe ich kurz gezögert. Zum einen habe ich mir ausgemalt, was passieren könnte, wenn unsere Berechnungen in der eigenen Heimatgemeinde aus irgendeinem nicht vorhersehbaren Grund doch nicht aufgehen sollten. Auf der anderen Seite waren gewässerspezifische Lösungen von Experten mit exakter Ortskenntnis gefragt“, schildert Kipsieker die damalige Situation. Auch wurden die wertvollen Beobachtungen und Erfahrungen der unmittelbaren Anrainer der Wierau mit einbezogen.
Umso stolzer präsentierte der Diplom-Ingenieur, der in Kindheitstagen manches Mal zusammen mit dem heutigen Bürgermeister Guido Halfter im Baggersee zwischen Wissingen und Linne baden ging, die Maßnahmen im August 2016 dem damals amtierenden Niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel als Vorzeigeprojekt mit wenig Investitionsaufwand.
Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen, und dass zur Umsetzung kein großer Eingriff in das bestehende Ökosystem erfolgen musste, waren zwei entscheidende Gründe für den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), den Hochwasserschutz an der Wierau zu fördern. So flossen 582.000 Euro der insgesamt erforderlichen Gesamtsumme von 832.000 Euro aus Bundes- und Landesmitteln nach Bissendorf in das hochwertige Konzept ein.
Diese Maßnahmen sind an der Wierau erfolgt:
An der Straße „An der Wierau“, direkt neben dem gleichnamigen Ferienhaus der Familie Vellekoop, wurde eine 1,75 Meter hohe Spundwand gebaut, die sich harmonisch in die Umgebung alter Höfe und Bruchsteinmauern integriert. An dieser Engstelle der Wierau, die in Bad Essen entspringt und nach 14 Kilometern Fließstrecke in Wissingen in die Hase mündet, wird der Fluss entlastet und bleibt weitestgehend in seinem Bett. In die entlang der Spundwand verlaufende Fahrbahn wurden zusätzlich Abläufe mit Rückschlagventil für Umgebungswasser eingebaut. Die Spundwand in Bruchsteinoptik schützt die Straße "An der Wierau" an der Engstelle des Flusses. Foto: Gemeinde Bissendorf Kollorz©Gemeinde Bissendorf Kollorz
Circa 300 Meter weiter flussaufwärts wurde eine Flutmulde zwischen der Wierau und dem Linner See geschaffen. Dass der 20 Meter breite und lange Überlauf bei einem sprunghaften Anstieg des Fließgewässers funktioniert, belegt eine Aufnahme, die der Hydroingenieur bei einem Kontrollgang am 24. Dezember 2023 mit seinem Handy machte.
Durch die aufwendige Baumaßnahme (unter anderem wurde der Boden um circa 1,80 Meter abgesenkt und eine Tauchwand aus Holzbohlen zum Schutz vor größerem Treibgut errichtet) findet bereits vor dem zuvor beschriebenen „Nadelöhr“ der Wierau eine effektive Entlastung statt.
Die Flutmulde zwischen Wierau und Linner See bei der Entstehung. Foto: HI Nord Planungsgesellschaft mbH©HI Planungsgesellschaft Nord mbH
„Wir sind dem Fischereischutzverein Wissingen sehr dankbar für die Möglichkeit zur Ableitung. So konnte im 15 Hektar großen NWA-Gewässer ein zusätzliches Fassungsvolumen von 150.000 Kubikmetern geschaffen werden, um die Wasserwelle der Wierau abzupuffern“, erklärt Michael Kipsieker. Diesem Dank schließt sich Bürgermeister Halfter ausdrücklich an. Zudem merkt er an, dass durch das damalige entschiedene Handeln von Rat und Verwaltung ein nachhaltiger und wirksamer Hochwasserschutz unter anderem für die Ortslage Wissingen geschaffen werden konnte.
Als dritte Hochwasserschutzmaßnahme wurden flussabwärts Richtung Hasetal und Wierau-Mündung zwei Straßen um fast einen Meter angehoben und dem Niveau des dahinterliegenden Bahndamms angepasst: Vom „Bröcker Weg“ aus war das Hochwasser vor 13 Jahren rückwärts nach Wissingen eingedrückt. Als zweite Straße übernimmt auch der „Linner Weg“ eine schützende Wallfunktion zwischen zwei Bruchwäldern.
Straßenerhöhung am Linner Weg zwischen Bruchwaldflächen. Foto: HI Nord Planungsgesellschaft mbH©HI Planungsgesellschaft Nord mbH
Weitere Hochwasserschutzmaßnahmen greifen
„Die Durchlässe des Bahndamms wurden für damalige Verhältnisse konzipiert. Für heutige und künftig zu erwartende Wassermassen sind sie wesentlich zu klein, so dass wir der Stauung entgegenwirken mussten“, schließt der Fachmann für Wasser- und Siedlungswasserwirtschaft seine Erläuterungen ab.
Auch mit Blick auf weitere von der Planungsgesellschaft HI Nord Planungsgesellschaft mbH erarbeitete Wasserschutzmaßnahmen in der Gemeinde Bissendorf, wie dem 2012/13 im Rahmen der Ortskernsanierung umgesetzten Umgehungsgerinne zwischen Holter Bach und Rosenmühlenbach, das in unmittelbarer Nähe zum Rathaus fließt, zeigt sich der Hydroingenieur in der Praxis bestätigt.
Hier gibt es noch ein Video vom aktuellen Hochwasser: