Schließung des Krankenhauses in Ostercappeln
Stellungnahme der Bürgermeister zum Sanierungskonzept und zur medizinischen Strategie der Niels-Stensen-Kliniken
Die angekündigte Schließung des Krankenhauses Ostercappeln wäre ein unwiederbringbarer Verlust der Gesundheitsversorgung des östlichen Landkreises Osnabrück. Unzählige Berichte, Stellungnahmen und Kommentare in der Presse, auf Social Media und in unzähligen Gesprächen haben deutlich gemacht, dass die betroffenen Menschen diese Entscheidung weder akzeptieren noch verstehen können.
Die Verflechtung des Krankenhauses und der Rückhalt bei den Menschen der Region ist enorm. Das Krankenhaus liegt zentral in der Ortschaft, mit knapp 3500 Einwohnern im Ortszentrum ist es sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich die beherrschende Institution und ein Synonym für Ostercappeln. Baulich und auch im Hinblick auf die Ausstattung ist das Krankenhaus St. Raphael gut aufgestellt. Es gibt keinen, auch im Vergleich mit den anderen Häusern des Verbundes, bedeutsamen Sanierungsrückstand. Auch aus kirchlicher Sicht, besonders durch die starke katholische Prägung im Ort, ist das Krankenhaus tief in der Bevölkerung verwurzelt.
Das Krankenhaus genießt allerhöchste Anerkennung bei den Menschen in der Region. Das gilt neben vielen Patienten aus dem erweiterten Umfeld ganz besonders für das Wittlager Land mit den Gemeinden Bad Essen, Bohmte und Ostercappeln, wie auch für die angrenzenden Gemeinden Belm und Bissendorf. Genauso für die angrenzenden Regionen Stemwede und Preußisch Oldendorf.
Wir sprechen hiermit von einem Versorgungsgebiet von circa 60.000 Menschen. Diese Verbundenheit wurde in einer Kundgebung mit anschließendem Protestmarsch am 6. Juli 2024 durch eine Beteiligung von nahezu 2000 Menschen ganz besonders deutlich.
Unter dem Deckmantel einer Reform und einer wirtschaftlichen Schieflage eines Krankenhausträgers sollen Strukturen nicht gewandelt, sondern zerschlagen werden. Diese Strukturen haben die Lebensverhältnisse der Menschen im ländlichen Raum über Jahrzehnte den Lebensbedingungen in urbanen Räumen angenähert. Es geht hierbei um Daseinsversorgung, es geht um die Gesundheit der Menschen vor Ort. Für die Daseinsvorsorge im Hinblick auf die Krankenhausversorgung im ländlichen Raum sind die Landkreise zuständig. Daher muss es für den originär verantwortlichen Landkreis Osnabrück die vordringlichste Aufgabe sein, diese Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Alle weiteren Bemühungen müssen hinter diesen Aspekten zurückstehen.
Der Landkreis Osnabrück hat die Organisation der Krankenhausversorgung über viele Jahrzehnte an andere übertragen. In großem Maße den Niels-Stensen-Kliniken und ihren Vorgängerorganisationen. Das hat lange funktioniert, insbesondere als die Einrichtungen noch überschaubar und lokal strukturiert waren. Zudem war der kirchliche Hintergrund lange Zeit ein Garant für ein verlässliches, den Menschen zugewandtes Handeln in den Häusern des Verbundes. In den vergangenen Jahren hat sich das Gesundheitssystem insgesamt sehr stark verändert. Es gibt neue Herausforderung aus medizinischer, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht.
Diese Herausforderungen sind im Landkreis Osnabrück, weder von der Kreispolitik noch von der Kreisverwaltung angemessen begleitet worden. Bedauerlicherweise hat auch der etablierte Partner, die Niels-Stensen-Kliniken, diese Entwicklung nicht ausreichend erkannt und offensichtlich nicht die richtigen Weichenstellungen vorgenommen.
Wir befinden uns daher in der Situation, dass der Landkreis Osnabrück keinen Zugang zu den Krankenhausversorgungsstrukturen hat. Das ist besonders kritisch zu bewerten, weil der Hauptanbieter für Krankenhausversorgung im Landkreis Osnabrück, die Niels-Stensen-Kliniken, in finanzielle Schieflage geraten ist und aktuell erkennbar dementsprechend auf kurzfristige Ergebnisse agiert.
Die Niels-Stensen-Kliniken haben aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage ein Sanierungskonzept auf Basis einer Medizinstrategie entwickelt. Dieses Konzept sieht eine Konzentration auf wenige Liegenschaften vor. Innerhalb des Sanierungskonzepts spielt die Schließung des Standorts Ostercappeln eine zentrale Rolle. Warum durch diese Maßnahme eine dauerhafte Stabilisierung des Konzerns erreicht werden soll, ist nicht nachvollziehbar.
Die spärlichen Informationen und Details, die im Rahmen der Bekanntgabe des Sanierungskonzepts durch die Geschäftsführung mitgeteilt wurden, können diese Entscheidung nicht erklären. Das temporäre Defizit Ostercappelns steht in keinem Verhältnis zu dem Gesamtdefizit des Konzerns. Dass ausgerechnet die Schließung einer kleinen Einheit den Erfolg bringen soll, ist nicht nachvollziehbar.
Zusätzlich sollte dem Landkreis Osnabrück die Tatsache bewusst sein, dass sich die Konzentration innerhalb des Verbundes auf das Marienhospital fokussiert, welches sich auf dem Gebiet der kreisfreien Stadt Osnabrück befindet. Die Stadt Osnabrück wiederum setzt für die Krankenhausversorgung dauerhaft auf das Klinikum Osnabrück, an dem sie beteiligt ist und das bereits seit Jahren mit kommunalen Geldern gestützt wird. Es ist deutlich erkennbar, dass für die Stadt Osnabrück der Maximalversorger, im Sinne der anstehenden Krankenhausreform, die städtischen Kliniken sein werden. Welche Rolle die Niels-Stensen-Kliniken mit dem Marienhospital spielen wird, ist offen.
Dass massiv in den Ausbau und die Erweiterung des Marienhospital investiert werden soll, dessen Zukunft in Anbetracht der zu erwartenden Entwicklungen bei den städtischen Kliniken unklar ist, ist nicht nachvollziehbar. Die Finanzierbarkeit der ambitionierten Ausbaupläne am Marienhospital hinterlässt zudem die Frage, wie denn, trotz hoher Förderzusagen des Landes, die Eigenanteile des Konzerns bereitgestellt werden sollen.
Erschwerend zu den Plänen am Marienhospital sind zur Umsetzung des medizinischen Konzeptes große Investitionen erforderlich. Zum einen, um die Leistungen des Krankenhauses Ostercappeln im Krankenhaus Melle und im Franziskushospital Harderberg räumlich und technisch einzurichten, zum anderen, um die Gebäudesubstanz in Ostercappeln in einem brauchbaren Zustand zu erhalten, um die Immobilie nicht als Schrottimmobile abschreiben zu müssen.
Die Bindung der Mitarbeiter an den Verbund und das Wechseln an die neuen Standorte sind ebenfalls mit großen Zweifeln behaftet. Auf jeden Fall ist zu erwarten, dass es einen erheblichen Verlust an Fachkräften für die Region insgesamt geben wird. Ganz deutlich wird auch, dass die Fragen der ambulanten Versorgung und der Notaufnahmen durch den Entfall des Krankenhauses Ostercappeln in dem medizinischen Konzept nicht konkret bedacht wurden.
Die vorgenannten Aspekte werden ganz besonders deutlich in den Fragestellungen und Anmerkungen der niedergelassenen Ärzte der Region Wittlage:
Es bleibt unklar, wo die bisher 8000 stationär und 12.000 ambulant versorgten Patienten in Zukunft versorgt werden sollen. Die Notaufnahmen der Standorte MHO, Harderberg und auch Melle arbeiten schon jetzt an Kapazitätsgrenze und darüber hinaus. Die personelle, organisatorische und bauliche Anpassung an die neuen Herausforderungen und zunehmenden Patientenzahlen ist nicht absehbar. Es werden sich die ohnehin schon langen Wartezeiten weiter verlängern. Aufgrund fehlender Betten können eigentlich notwendige stationäre Aufnahmen nicht realisiert werden. Die Fahrten für die Rettungsdienste werden sich verlängern, ebenso die Wartezeiten bei Übergabe an die Notaufnahmen, die erforderliche Aufstockung an Fahrzeugen des Rettungsdienstes und deren qualifizierte Besetzung ist nicht gewährleistet.
Die Palliativmedizin soll massiv gekürzt werden. Standorte werden zusammengelegt, die Bettenanzahl drastisch reduziert. Palliativmedizin ist noch viel mehr als andere Fachdisziplinen von einer gut funktionierenden Teamstruktur geprägt. Diese geht durch das Zusammenlegen von Standorten mutmaßlich verloren. Die Palliativmedizin ist zusammen mit Spes Viva und der SAPV ein maßgebliches Aushängeschild des Krankenhauses Ostercappeln. Sie ist für die Patienten und deren Angehörigen am Lebensende von unschätzbarem Wert. Wir befürchten einen Verlust der gewachsenen Infrastruktur und eine deutliche Verschlechterung der Palliativversorgung in unserer Region.
Es sollen überproportional viele Betten in der Inneren Medizin gestrichen werden. Wir sehen große Probleme in der Patientenversorgung. Diese Betten werden neben der spezialisierten Medizin eben auch für die internistische Grundversorgung einer alternden Bevölkerung dringend benötigt, z.B. Pneumonien, Covid, Infusionstherapien bei Exsikkose, i.v. Antibiotikatherapien usw. Schon jetzt gab es zu vielen Zeiten, z.B. Infekt-Saison im Herbst/Winter, einen Bettenmangel. Patientenbetten auf Fluren und Zustellbetten in den Zimmern gehören regelmäßig dazu, diese Situationen werden sich verstärken. Wir befürchten schwere Krankheitsverläufe und ggf. auch Todesfälle als Folge fehlender Aufnahmekapazitäten.
Die „Medizinstrategie 2028“ der NSK wurde nach unserer Kenntnis in weiten Teilen von der Unternehmensberatung Lohfert & Lohfert entwickelt, ohne dass jedoch die handelnden „Mediziner“ maßgeblich an dieser Strategie beteiligt oder davon überzeugt wurden. Das Krankenhaus Ostercappeln funktioniert sehr gut in der Zusammenarbeit der Fachabteilungen, werden diese gut funktionierenden Strukturen nun zergliedert und auf Standorte wie Harderberg und Melle verteilt, wird es immense Schwierigkeiten in der Organisation und Integration neuer Teams geben. Denn natürlich arbeiten auch in Melle und am Harderberg fest etablierte Teams mit eingespielten Abläufen, die nicht unbedingt darauf vorbereitet sind, die Abteilungen aus Ostercappeln aufzunehmen.
Hinzu kommt die fehlende Infrastruktur, da notwendige Baumaßnahmen in den verbleibenden Kliniken noch nicht einmal begonnen wurden. Ob und wann diese realisiert sind, bleibt unklar. Wir befürchten neben der fehlenden Bettenkapazitäten mindestens in der jahrelangen Anpassungs- und Übergangsphase deutliche Schwierigkeiten und einen Qualitätsverlust in der Patientenversorgung. Vor allem ein Abwandern vieler guter Fachkräfte aus allen Fachgebieten und auf allen Leitungsebenen, die aus persönlichen, perspektivischen, organisatorischen Gründen oder einfach aus Enttäuschung keine Zukunft in den NSK sehen.
Diese Fachkräfte sind nicht ersetzbar, denn sie leisten die maßgebliche Arbeit bei der Patientenversorgung und sind für das Weiterbestehen der NSK essenziell wichtig. Ohne motivierte, überzeugte, zufriedene Mitarbeiter kann kein Krankenhaus eine gute Patientenversorgung sicherstellen und wird vermutlich auch wirtschaftlich scheitern. Die Notarztdienste in Ostercappeln werden bis 16 Uhr (und oft darüber hinaus) aus dem Krankenhaus Ostercappeln besetzt. Die Besetzung der Dienste durch eigenes Personal ist unsicher. Kollegen aus Notarztbörsen sollen diese übernehmen. Das ist finanziell extrem teuer, zudem befürchten wir, dass diverse Dienstbesetzungen ausfallen könnten, und somit der Standort Ostercappeln gar nicht besetzt ist. Es bleibt unklar, was nach 2025 passiert, denn nur bis dahin geben die NSK eine Garantie zur Besetzung der Dienste.
(Auszug aus Mail 04.07.2024 Guido Lüke, Vorsitzender Ärzteverein Wittlager Land)
Finanzielle sowie medizinische Risiken in dem Vorgehen der Niels-Stensen-Klinken machen deutlich, dass die Geschäftsleitung absolut von der Liquiditätssicherung des gesamten Konzerns getrieben wird. Ein nachvollziehbares, zuverlässiges Agieren der Niels-Stensen-Kliniken auf Basis des vorliegenden Sanierungskonzepts ist derzeit nur schwer vorstellbar.
Kommunales Geld für die Sicherung der Krankenhausversorgung wird auf Dauer für den Landkreis Osnabrück unausweichlich sein. Wenn dann die entsprechenden Einrichtungen im Landkreis nicht mehr zur Verfügung stehen und dieser Prozess weiter voranschreitet, wird der Landkreis Osnabrück ein weiteres Mal viel Geld in die Infrastruktur der Stadt Osnabrück zahlen. Insofern ist es dringend angezeigt, jetzt Gelder für den Erhalt einer bestehenden Infrastruktur im Landkreis Osnabrück bereitzustellen. Der Landkreis Osnabrück kann sich nicht mehr zurücklehnen, sondern muss seinem gesetzlichen Auftrag, der Sicherstellung der Krankenhausversorgung im ländlichen Raum, gerecht werden.
Zusätzlich ist neben dem Verlust an medizinischer Versorgung ein Abfluss von Kaufkraft, Wohlstand und Lebensqualität im Landkreis und seinen Kommunen die Folge des jetzt eingeschlagenen Weges.
Das Land Niedersachsen hat den Sanierungsplan und das medizinische Konzept zur Kenntnis genommen. Eine Aussage zur Zukunftsfähigkeit des Sanierungskonzeptes macht das Land nicht. Ein Verzicht auf das Krankenhaus Ostercappeln ist für das Land nicht erheblich, und soll nach dessen Auffassung auf die Versorgungsstruktur keinen Einfluss haben, auch wenn die Versorgung von lokal gut auf ausreichend abgewertet wird. Zudem ist die rein geographische Nähe zu den Einrichtungen in der Stadt Osnabrück nach Ansicht des Landes ausreichend, um keinen besonderen Bedarf im Krankenhaus Ostercappeln zu erkennen.
Sämtliche Aspekte wie die Auswirkungen auf Standortkommunen, der humanitäre Aspekt der Krankenhausversorgung, Erreichbarkeiten von Alternativen etc. spielen bei den Vorgaben des Landes bestenfalls eine untergeordnete Rolle.
Dieser grundsätzliche Eindruck bleibt auch trotz intensiver Gespräche der Bürgermeister des Wittlager Landes mit dem Niedersächsischen Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Andreas Philippi, bestehen.
Fazit:
Eine medizinische Versorgung, die die Belange der Menschen und vor allem der Patienten aus einer einseitigen technokratischen und betriebswirtschaftlichen Sichtweise betrachtet, hat keine Zukunft. Der Landkreis Osnabrück muss sich für die Daseinsvorsorge seiner Bürger im Hinblick auf die Krankenhausversorgung finanziell und strategisch einbringen. Ein klares Bekenntnis und eine entsprechende politische Entscheidung sind umgehend herbeizuführen.
Der Landkreis ist finanziell in der Lage in den Strukturprozess einzugreifen, um endgültige Entscheidungen dieser Tragweite ausreichend zu prüfen und zu bewerten. Insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Krankenhausreform sind vorauseilende unumkehrbare Entscheidungen unverantwortlich.
Dauerhaft wird das Krankenhauswesen wieder lukrativ sein, weshalb ein finanzielles Engagement seitens der öffentlichen Hand nicht zwingend defizitär sein muss. Die Streichung von Krankenhausstandorten führt zu unwiederbringlichen strukturellen Verlusten der Daseinsvorsorge. Eine kooperative Entscheidungsfindung mit den Niels-Stensen Kliniken ist wichtig, um belastbare Zahlen zu bekommen.
Forderung:
Bereitstellung der finanziellen Mittel zur Verlustabdeckung der Niels-Stensen-Kliniken, um einen Strukturprozess der Krankenhausversorgung im Sinne der Bewohner des Landkreises Osnabrück zu ermöglichen.
Eine eingehende Prüfung der vorliegenden Sanierungsstrategien und medizinischen Konzepte muss ermöglicht werden.
Die Betrachtung der Gesundheitsversorgung im Landkreis muss neben den betriebswirtschaftlichen und medizinstrategischen Gesichtspunkten eines Gesundheitskonzerns stärker die Aspekte des ländlichen Raumes und den Gedanken einer humanen Medizin beinhalten. Dazu sind neue Konzepte aufzustellen und ein Einstieg des Landkreises als Gesellschafter ernsthaft ergebnisoffen zu prüfen.
Ein Einstieg in einen zielgerichteten Abstimmungsprozess mit der Stadt Osnabrück für eine ausgewogene strategische Ausrichtung für Stadt und Landkreis ist unbedingt anzustreben.
Ostercappeln den 30.07.2024
Die Bürgermeister der Gemeinden Bad Essen, Bohmte, Belm, Bissendorf und Ostercappeln
Timo Natemeyer, Bad Essen Markus Kleinkauertz, Bohmte Viktor Hermeler, Belm
Guido Halfter, Bissendorf Erik Ballmeyer, Ostercappeln