Keine „Lex Bissendorf“: Landkreis stellt sich gegen schnelle Ansiedlung eines Drogeriemarktes
Rolf und Dennis Niekamp überreichten gemeinsam mit Bürgermeister Guido Halfter und dem Ortsvorsteher Volker Klausing im Kreishaus über 1500 Unterschriften an Landrätin Anna Kebschull.©Gemeinde Bissendorf Der Landkreis Osnabrück wird die Pläne der Gemeinde Bissendorf, in Wissingen einen Drogeriemarkt anzusiedeln, derzeit nicht unterstützen. Das erklärte Landrätin Anna Kebschull am 28. Februar 2024 anlässlich der Übergabe von mehr als 1500 Unterschriften aus einer Online-Petition, die Dennis und Rolf Niekamp gemeinsam mit Ortsvorsteher Volker Klausing und Bissendorfs Bürgermeister Guido Halfter im Kreishaus überreicht hatten.
Sie bedauere die Entscheidung, so Kebschull, aber: „Wir haben das genau abgewogen.“ Damit erteilte der Landkreis auch einem Plan der Gemeinde Bissendorf eine Absage, mit dem eine Ansiedlung über das im kommenden Jahr anstehende neue Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) ermöglicht werden könnte.
„Wenn man Wissingen im neuen RROP als ein Grundzentrum mit der Teilfunktion Nahversorgung ausweisen würde, wäre die Ansiedlung eines Drogeriemarktes sofort möglich“, erklärte Halfter erneut. Neben der enormen Unterstützung aus der Bevölkerung spreche auch die tatsächliche Situation in der Kommune für diese Lösung. „Wir wollen hier Brücken bauen“, so Halfter. Der Ortsteil Wissingen biete sich aufgrund der Lage verkehrlich geradezu an, die gesamte Gemeinde zu versorgen. Durch die gemeinsame Nutzung eines Parkplatzes für drei Verbrauchermärkte könne dazu auch eine weitere Versiegelung vermieden werden.
Auf diese Konstruktion will sich der Landkreis allerdings nicht einlassen. Für Bissendorf allein sei diese Argumentation durchaus nachvollziehbar, gab Kebschull zu. Sie müsse aber an den gesamten Landkreis denken. Und da gebe es andere ähnlich gelagerte Fälle, denen die Verwaltung dann auch zustimmen müsse. „Ich will hier keine ‚Lex Bissendorf‘ schaffen“, stellte sie klar. Folglich werde in der anstehenden zweiten Auslegung des neuen RROP für den Ortsteil Wissingen definitiv auch kein Grundzentrum ausgewiesen sein – weder mit noch ohne Teilfunktion.
Neben den Neubauten der Verbrauchermärkte in Wissingen wäre noch Platz für einen Drogeriemarkt.©Gemeinde Bissendorf Für die Bürger, die sich mit der Petition an den Landkreis gewandt haben, ist diese Haltung nicht nachvollziehbar. Im Moment bauen sowohl der Supermarkt als auch der Discounter ihre neuen Märkte in Wissingen. „Die Situation ist daher geradezu ideal“, sagte Rolf Niekamp für die Petitenten. „Die Bissendorfer Bürger erwarten das!“ Dazu kommt, dass derzeit sogar ein namhaftes Unternehmen Interesse an einer Ansiedlung in Wissingen signalisiert hat und die benötigten Grundstücke zur Verfügung stehen.
Dass es bei so einer Gesamtlage überhaupt zu Problemen kommt, liegt an dem RROP. Dort ist derzeit bei einer zentrenartigen Ansiedlung von Verbrauchermärkten eine Gesamtverkaufsfläche von maximal 3200qm vorgesehen, die mit den Neubauten bereits voll ausgeschöpft wird. Mit dieser Begrenzung sollten ursprünglich Outlet-Stores auf der „grünen Wiese“ und ungesteuerter Kaufkraftabfluss durch die Konzentration von Verbrauchermärkten verhindert werden. Allerdings geht von Wissingen in diesem Zusammenhang keine Gefahr aus, was auch der Landkreis zugibt. „Wir könnten hier mit einem guten Beispiel vorangehen“, so Halfter. Es sei bedauerlich, dass der Behörde die nötige Kreativität fehle. „Die jetzige Entscheidung konterkariert die eigentliche Schutzwirkung des RROP sogar“, so der Bürgermeister. Besonders unsinnig erscheint die Entscheidung des Landkreises mit Blick auf die Möglichkeit, 400 Meter vom jetzt geplanten Standort einen Drogeriemarkt problemlos ansiedeln zu können – natürlich mit einem weiteren großen Parkplatz.
Das will auch der Landkreis verhindern. Kebschull schlägt deswegen einen ergebnisoffenen Prozess vor, mit dem nach Inkraftsetzung des neuen RROP eine Lösung gefunden werden soll. Wichtig sei, dass das Konzept dann für den ganzen Landkreis gelte. Eine Möglichkeit sei beispielsweise die Teilfortschreibung des neuen RROPs. In diesem Fall wird Bissendorf noch einige Zeit auf einen Drogeriemarkt warten müssen. Eine zeitnahe Umsetzung im neuen RROP ist nach Aussage der Landrätin definitiv nicht denkbar. „Wir müssten dann im Zweifel in eine dritte Auslegung gehen“, so Kebschull. Damit wäre ein pünktlicher Übergang vom aktuellen zum neuen RROP nicht mehr möglich. Wie lange es realistisch dauern wird, bis der Prozess abgeschlossen und eine Lösung gefunden ist, ist noch offen. „Drei Jahre, wenn wir gut sind, eher fünf Jahre“, schätzt Kebschull.
„Das ist sehr, sehr unbefriedigend“, zeigte sich Dennis Niekamp enttäuscht. Er selbst wohnt seit kurzem mit seiner Familie im neuen Wohngebiet „Wissinger Mark“. „Das Produktsortiment im Supermarkt reicht für Familien einfach nicht“, sagte er. Statt schnell vor Ort einkaufen zu können, müsse er wie viele seiner Nachbarn regelmäßig weite Wege mit dem Auto fahren.
„Die Forderung ist verständlich“, gab Kebschull auch mit Blick auf die große Zahl von Bürgern, die sich an der Petition beteiligt haben, zu. Gleichzeitig ermunterte sie die Bissendorfer, sich weiter zu engagieren. „Die Unterschriften machen was aus“, sagte sie zum Abschied. Für die Einwohner von Bissendorf, die seit Jahren für einen Drogeriemarkt in der Gemeinde kämpfen, ist das allerdings nur ein schwacher Trost.
Weitere Informationen und Hintergründe zur Ansiedlung eines Drogeriemarktes finden Sie hier:
Bissendorf legt Rechtsgutachten zu möglichem Drogeriemarkt vor